Menü
SUPERillu
Made with in Offenburg
© Michael Handelmann | SuperIllu
Gesellschaft

Die Bundeswehr als Arbeitgeber: Karrierechancen und Übungstrainings

Die Bundeswehr braucht Nachwuchs, zum Beispiel auf dem Hightech-Truppenübungsplatz in der Altmark. Um 100 neue Soldaten zu gewinnen, präsentiert sich die Truppe als moderner, actionreicher Arbeitgeber.

© Michael Handelmann | SuperIllu
Ein Oberfeldwebel der Panzergrenadiere, der für die Übung Tarnfarbe angelegt hat, steht beim Bewerbertag Rede und Antwort.

Von Sebastian Krüger, Max Bender

Erst plopp, dann zisch - mit diesem Sound platzt die Nebelgranate. Im Schutz ihrer Schwaden rückt ein Trupp Soldaten in einer Straße vor. Plötzlich grollt in der Nähe feindliches Feuer. „Panzer in Sicht!“ brüllt jemand, schon dröhnt ein grüner Stahl-Koloss ums Eck. Gegen ihn haben die Jungs keine Chance, sie ziehen sich in ein Gebäude zurück.

„Stopp“ - mit diesem Kommando endet das kurze Szenario in der Bundeswehr-Übungsstadt Schnöggersburg, die zum Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) bei Letzlingen in der Altmark gehört. In sicherer Entfernung haben 150 Schüler aus ganz Sachsen-Anhalt zugesehen. Sie sind dabei beim ersten „Bewerbertag“ im GÜZ, um vor Ort Ausbildungs- und Jobmöglichkeiten bei der Bundeswehr kennenzulernen.

Die staubbedeckten Kämpfer verlassen ihre Deckung, scharen sich zur Auswertung um ihren Kommandeur. Was hat geklappt, was muss nächstes Mal sitzen? Kurz Luftholen, dann wird die Übung wiederholt.

© Michael Handelmann | SuperIllu
Um Nachwuchs zu gewinnen, lud das Gefechtsübungszentrum in Letzlingen zu einem Infotag.

Die Bundeswehr sucht dringend Nachwuchs

Die Schüler hören aufmerksam zu. Häuserkampf, Panzer im Einsatz - das ist doch mal was anderes als Schule, sagt einer, der noch unter 18 ist. Tatsächlich lässt sich die Bundeswehr einiges einfallen, um künftigen Soldaten als attraktiver, spannender Arbeitgeber zu erscheinen. Denn es wird dringend Personal gebraucht! Umso mehr, seit Russland mit seinem Überfall auf die Ukraine die deutsche Öffentlichkeit aufschreckte und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angesichts des Zustands der Bundeswehr ihre „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“ ausgab.

Personell unterbesetzt ist auch das GÜZ, die modernste Ausbildungsstätte des Heeres. Seit der Eröffnung 2017 erhalten in Schnöggersburg, benannt nach dem Dorf, das hier einst stand, fertig ausgebildete Soldaten der Bundeswehr und verbündeter NATO-Armeen eine mehrwöchige Zusatzausbildung: In extra errichteten einfachen Betonobjekten zu denen neben Häusern u.a. auch ein U-Bahn-Schacht und ein Gotteshaus gehören, trainieren sie Krieg im urbanen Milieu. „Einheimische“, also vor Ort im GÜZ stationierte Soldaten, dienen dabei als „Feinde“ - und genau die fehlen aktuell, vor allem Panzergrenadiere und Jäger.

GÜZ-Kommandeur Oberst Heiko Diehl gibt sich gegenüber SuperIllu optimistisch, dass einige der 150 Teilnehmer des Bewerbertags „anbeißen“ werden. Er sagt: „Uns ist wichtig, das Ganze nicht nur per Film oder Flyer zu zeigen, sondern Erlebnisse zum Anfassen zu bieten. Soldaten, die aus der Region stammen, identifizieren sich gut mit der Arbeit.“

© Michael Handelmann | SuperIllu
Zu Übungszwecken wurde auch eine eigene U-Bahn-Linie mit drei Stationen gebaut.

Vielfältige Karrieremöglichkeiten: Von Arbeitszeiten bis zur Verantwortung als Soldat

Tatsächlich lassen sich einige Schüler an Infoständen von Karriereberatern über Art und Anzahl offener Stellen aufklären. Andere fragen die Soldatinnen und Soldaten direkt nach ihrem Alltag. Aha: Ein normaler Arbeitstag dauert acht Stunden, es gibt auch Teilzeit, mobiles Arbeiten und ein Konzept zur „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“. Presseoffizier Hauptmann Alexander Helle klärt die Schüler auch über die ernsthaften Aspekte auf: „Soldat sein bedeutet, für die Werte unseres Landes einzutreten, mit der Waffe in der Hand. Waffen sind dazu da, Menschen zu verletzen, auch um zu töten. Wer besser zielt und besser schießt, bleibt länger am Leben - das gilt schon jetzt bei unseren Auslandseinsätzen, und das würde auch gelten im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung.“

© Michael Handelmann | SuperIllu
Hier wird eine Hauserstürmung nachgestellt.

Praktische Einblicke in den Alltag bei der Bundeswehr

Diese Ehrlichkeit schreckt die Teilnehmer am Infotag nicht ab. Im Gegenteil: Sie probieren Teile von Uniformen an, lassen sich die Handhabung von Gewehren erklären. Besonders Mutige klettern in bereitgestellte Panzer hinein oder erkunden die Gassen der Übungsstadt. Obwohl auf Schritt und Tritt Uniformierte dabei sind, fühlen sich viele Schüler bei dem „Spaziergang“ unlocker - und beobachtet: An jeder Ecke der ungastlichen Betonhäuser blinken Sensoren aller Art. Schnöggersburg ist eine Hightech-Burg: Dank kompletter Vernetzung mit einem „Duellsimulator“ finden Schüsse und Treffer lasergestützt statt. Wie beruhigend, dass bei den Übungen nicht „scharf“ geschossen wird, nur digital!

Am Ende des Bewerbertags wird noch eine actionreiche Übung gezeigt. Ein Gebäude soll erstürmt werden, eine Festung feindlicher Kräfte. Dazu rollt ein Leopard-2 heran. Unter ständigem Maschinengewehrfeuer (Platzpatronen!) nähert sich das Ungetüm seinem Ziel. Dann geht es blitzschnell, mit professioneller Präzision: Einer steigt auf die Leiter, ein anderer gibt Deckung, Feuerstöße, Schreie, der Erste ist drinnen, weitere Kameraden folgen. Drin rattern die Salven...

Im Herbst soll in Letzlingen eine Ausbildungsrunde starten, um langfristig die hier fehlenden rund 100 Panzergrenadiere und Jäger zu ersetzen (drei Monate Grundausbildung, danach drei Monate GÜZ-Spezialausbildung). Noch ist die Hälfte der Plätze frei. Wie viele davon werden nach diesem Bewerbertag wohl belegt sein?

Wir müssen wehrfähiger werden.

Heiko Diehl, Oberst am Gefechtsübungszentrum Letzlingen
© Michael Handelmann | SuperIllu

Interview mit Heiko Diehl, Oberst am Gefechtsübungszentrum Letzlingen

Oberst Diehl, wie haben Sie den Bewerbertag erlebt?

Wir wollten uns als regionaler Arbeitgeber stärker präsentieren und jungen Menschen die Möglichkeit geben, uns besser kennenzulernen. Das hat gut geklappt. Die Resonanz unter den Teilnehmern war sehr positiv. Mit der Organisation und dem Verlauf des Bewerbertags bin ich zufrieden.

Warum müssen Sie denn überhaupt um Nachwuchs für den Soldatenberuf werben?

Viele Menschen haben immer noch ein veraltetes Bild von uns. Wir sind aber nicht mehr die Bundeswehr von vor 20 Jahren oder gar die NVA. Das Hier und Jetzt sowie die aktuellen Herausforderungen sind ganz anders, und das müssen wir den Menschen wieder neu vermitteln. Dabei spielt auch die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht eine Rolle.

Wäre eine Wiedereinführung der Wehrpflicht derzeit überhaupt umsetzbar?

Mit dem Sondervermögen können wir nur alle aktuellen Soldaten ausrüsten, nicht aber die Kosten für jene Wehrpflichtigen tragen, die bei einer reaktivierten Wehrpflicht auszurüsten wären. Um die Demokratie im In- und Ausland zu schützen, müssen wir insgesamt wehrfähiger werden.