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Wissenschaft

Prof. Dirk Labudde: Star der Digitalen Forensik

Krimi-Jubiläum an der Hochschule Mittweida: Seit zehn Jahren lehrt Prof. Dirk Labudde hier einen Mix aus Forensik, Biologie und Informatik. Seine Gutachten sind ebenso begehrt wie seine Absolventen. Ein Besuch beim Star der Digitalen Forensik.

Ein Toter liegt am Boden, aus seinem Kopf strömt Blut. Studenten nehmen Proben davon, die sie sogleich auswerten. Schnell ist das Ergebnis der digitalen Musteranalyse da: In diesem Fall handelt es sich um Schweineblut. Professor Dirk Labudde, der diesen klassischen „Tatort“ für seine Studenten in einem Labor der Hochschule Mittweida konstruiert hat, erklärt: „Meine Studenten lernen, Zusammenhänge herzustellen zwischen der analogen und digitalen Forensik. An jedem Tatort lassen sich Brücken schlagen. Hier haben wir mal mit analogen Befunden, nämlich Blutproben, eine digitale Datenbank gefüttert. Aber es geht auch andersherum, dann übertragen wir digitale Spuren, etwa Handydaten, in analoge Beweise.“

Digitales eröffnet neue Möglichkeiten für Ermittlungen

Das Digitale ist heute der Schlüssel bei vielen Ermittlungen. Jeder hinterlässt immerzu digitale Spuren, wenn man online ist, oder auch nur, wenn man das Handy in der Tasche mit sich herumträgt. Aber: Nicht alle Ermittler können alle digitalen Spuren deuten.
Sherlock Holmes löste einst seine Fälle, weil er so blitzgescheit war - heute beauftragen Staatsanwaltschaften aus ganz Deutschland den Mittweidaer Professor mit Gutachten zu laufenden Ermittlungen. Labudde und sein Team bearbeiten ständig vier bis fünf aktuelle Fälle. Fast immer kann danach der Kreis der Verdächtigen eingrenzt, der Tathergang erklärt oder zumindest ein wichtiger Hinweis gegeben werden.

Einer der spektakulärsten Fälle war im letzten Herbst der Prozess um den Musiker Gil Ofarim: Labudde und seinen Mitarbeitern gelang es, Ofarim der Lüge zu überführen, als er 2021 behauptet hatte, wegen einer Davidstern-Halskette in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein. Die Nachstellung der Situation mit Schauspielern und die forensische Auswertung der Überwachungsvideos ergab: Nein, Ofarim kann eine solche Kette nicht sichtbar getragen haben...

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Prof. Labudde erklärt in einem Seminar Grundbegriffe der biometrischen Gesichtsrekonstruktion.

Hohes Interesse am Studiengang Cybercrime

2014 wurde Labuddes Lehrstuhl in Mittweida gegründet, die Zahl seiner Studenten ist seither stetig gewachsen. Seit der ursprüngliche Bachelor-Kurs um einen Master-Studiengang für Cybercrime/Cybersecurity ergänzt wurde, hat Labudde stets über 600 Studenten. Pro Semester bewerben sich rund 300 Interessenten, aber nur 130 bis 140 dürfen anfangen. Je zur Hälfte sind es Männer und Frauen, wobei Letztere durchschnittlich besser abschneiden. Labudde: „Man braucht eine Ader für das Fach, weil man sich durch viele Akten hindurchquälen muss, man muss zig Protokolle und Chats lesen und sich durch unzählige Fotos, Audios und Videos klicken.“

Und man braucht starke Nerven, wenn etwa brutale Tathergänge rekonstruiert werden müssen, wie 2018 der Mordfall Stephanie D. Bei diesem „Cold Case“, einem alten, nicht abgeschlossenen Fall, war 1991 die Leiche eines 10-jährigen Mädchens unter der Teufelstalbrücke in Thüringen gefunden worden. Labuddes Team rekonstruierte den Sturz aus 53 Metern Höhe mit einer Puppe, und als sie diese analogen Sturzdaten digital analysierten, konnten sie zeigen, dass Stephanie D. in die Tiefe gestoßen wurde. Diese Erkenntnis trug dazu bei, den Mörder zu überführen - 26 Jahre nach der Tat.

Hohe Auftragslage für Studierte

Haben sich die Studenten durch trockene (meist digitale) Aktenberge gefressen und die teils bittere Tatortarbeit gemeistert, können sie sich ihre Jobs aussuchen. Etwa ein Drittel fängt nach dem Studium bei Ermittlungsbehörden an, zwei Drittel gehen in die Wirtschaft, zu Versicherungen oder Unternehmensberatungen. „Da gibt es eine hohe Nachfrage, da Cyberangriffe zunehmen und Unternehmen dagegen schützen wollen,“ so Labudde.

Forschung an neuen Methoden

Derzeit forscht er an einer neuen Methode: Er will Verbrecher künftig anhand ihrer Körpermaße identifizieren. Bei diesem biometrischen Verfahren werden auf Bildern, wie sie z.B. Überwachungskameras liefern, die Körper mutmaßlicher Täter vermessen und analysiert. Labuddes These: Jeder Mensch hat ein individuell ausgeformtes Knochengerüst und damit auch ein einzigartiges „Gangbild“. Labudde: „Fingerabdrücke oder das Muster der Iris gelten längst als gerichtsfeste Beweise. Beim Gangbild ist das noch nicht der Fall. Wenn uns das gelingt, wär das ein Meilenstein in der Verbrechensaufklärung!“