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SuperIllu-Interview

Michael Patrick Kelly: Die Friedensglocke ist ein Herzensprojekt

Ein Star will Michael Patrick Kelly trotz des Erfolges nicht sein. Seine Bekanntheit nutzt er lieber, um sich für etwas Wichtigeres einzusetzen. Das wird auch bei seinen Konzerten deutlich.

Bevor Michel Patrick Kelly, 45, auf die Bühne geht, pflegt er ein Ritual. „Ich trinke vor den Konzerten oft einen Schluck Underberg – mit 48 Kräutern. Ich rede mir ein, dass es gut für die Stimmbänder ist, aber es ist wohl eher, um den aufgeregten Magen zu beruhigen“, erzählt er und lacht. Die Anspannung beim Auftritt währt beim Vollblutmusiker nur kurz. „Die Live-Bühne ist für mich mein Element. Da bin ich wie ein Fisch im Wasser.“

Der Sänger, dessen Karriere bei der Kelly Family begann, hat sich in den letzten Jahren als Solo-Künstler freigeschwommen. Seine Fans lieben ihn nicht nur für seine emotionale Arbeit als Musiker, sondern auch für seinen Einsatz für den Frieden. Seit über zehn Jahren gibt es bei jedem seiner Konzerte eine Schweigeminute für den Frieden. „Es ist immer wieder faszinierend, dass es auch klappt. Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn Tausende von Menschen still sind und innehalten“, sagt er.

2018 war ihm die Schweigeminute zu wenig. Der Sänger, der auch bildender Künstler ist, startet damals das Projekt „Peace Bell“ (Friedensglocke). Seine Idee: „Im ersten und zweiten Weltkrieg wurden über 150000 Kirchenglocken beschlagnahmt, um aus den Metallen Waffen herzustellen. Ich hab diesen Prozess umgekehrt.“ Aus Kriegsschrott entwarf er eine Friedensglocke, die wenig später gegossen wurde. Es wurde zum Herzensprojekt des Sängers, der die Minute der Stille seitdem einläutet.

Auf seiner aktuellen „B.O.A.T.S“-Tournee hat Michael Patrick Kelly eine Glocke dabei, die an den aktuellen Krieg in Europa erinnert. Die Entstehung war eine spontane Idee. Als Freunde von ihm mit Hilfsgütern in die Ukraine reisten, bat der Musiker sie, ihm Kriegsschrott mitzubringen. „Sie haben Granathülsen aus Kyjiw und Panzerstücke aus Butscha mitgebracht.“ Die Teile wurden eingeschmolzen. Daraus entstand eine 820 Kilo schwere Peace Bell mit einem Schnellfeuergewehr als Klöppel. Sie läutet seit dem Start der Tour die Schweigeminute ein. Für Kelly ein besonderer Moment: „Viele haben einen inneren Krieg, mit Ängsten und Sorgen, Probleme in Beziehungen oder bei der Arbeit. Diese Minute der Stille tut einfach gut.“

Michael Patrick Kelly will seinen Fans ein gutes Gefühl geben. Nicht nur im Konzert, auch außerhalb. Deshalb gibt er auch keine Autogramme: „Ich mag diesen Personenkult nicht, sondern ich habe den Kontakt lieber von Mensch zu Mensch - auf Augenhöhe.“

© Uwe Toelle | SuperIllu

2015 habe ich Sie beim Echo getroffen. Damals wurden Sie noch gefragt: „Und was machen Sie so?“. Das kommt heute sicher nicht mehr vor, oder?

Ich erinnere mich noch daran: das war kurz bevor ich nach der Auszeit im Kloster mein erstes Album rausgebracht habe. Als Solo-Künstler hatte ich damals wieder von Null angefangen. Seitdem ist viel passiert. Ich bin unfassbar dankbar, dass die Musik, die ich heute mache, so gut ankommt.  

Sie haben gerade die Goldene Henne gewonnen. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Ich habe in meinem Leben viele Preise bekommen, aber die Goldene Henne ist etwas ganz Besonderes für mich. Hier spielen weder eine Jury noch Politik eine Rolle, es sind die Menschen, die abgestimmt haben. Das zeigt mir, dass meine Musik auch Teil ihrer Lebensgeschichte geworden ist. Das ist toll! 

Wo wird die Henne stehen? 

Ich baue mir gerade ein Heimstudio. Dort wird die Henne einen schönen Platz bekommen. 

Hätten Sie mit diesem Erfolg der letzten Jahre gerechnet?

Das Musik-Business ist ein unvorhersehbarer Zirkus. Manchmal wird jemand krank und du darfst einspringen. Oder der Zirkusdirektor stellt fest: Bei dir wird laut applaudiert, dann darfst du öfter ran. Deshalb habe ich versucht, mich in erster Linie ganz auf die Musik zu konzentrieren und hart zu arbeiten statt auf irgendwelche Gefallen zu warten. 

Ich schreibe Songs mit Themen, die wahr und schön sind und Menschen hoffentlich guttun. Auch die Songs auf meinem aktuellen Album B.O.A.T.S basieren auf wahren Geschichten, die das echte Leben schreibt. Es sind Erlebnisse aus meinem eigenen Leben oder Geschichten von spannenden Personen, denen ich begegnet bin. 

Auf der Extended Edition des Albums, das im November erscheint, gibt es einen Song, der „Wonders“ heißt. Worum geht es darin?

Im Song „Wonders“ geht’s um die vielen kleinen Wunder des Alltags, die diese Welt davon abhält, auseinander zu brechen. Insbesondere geht’s um etwas, das 2019 in Oregon, USA, passiert ist. Damals ging ein 17-jähriger Amokläufer mit einer Pumpgun in die Schule. Dort wurde er zum Glück von einem Football-Coach an der Tat gehindert. Und das ohne Gewalt anzuwenden, sondern mit Umarmungen und positiven Zuspruch. 

Die unfassbaren Bilder, die von den Kameras in der Schule festgehalten wurden, haben mich zu Tränen gerührt. Ich musste einen Song darüber schreiben. Nachdem ich diese Geschichte mitbekam, habe ich per Zoom mit diesem Coach lange gesprochen und mir aus dem Gespräch Inspiration für den Text geholt.

Welche Botschaft hat dieses Lied?

Es gibt sehr viele gute Menschen und gute Nachrichten in dieser Welt, die aus meiner Sicht zu wenig zur Geltung kommen. Wir werden täglich mit Bad News bombardiert, aber die vielen kleinen Alltagshelden, die es gibt, von denen hören wir aus meiner Sicht zu wenig in der Tagesschau. Die Frage von Faust: ,Was hält die Welt in sich zusammen?‘ würde ich so beantworten: es sind diese vielen selbstlosen Taten der Liebe, diese kleinen “Acts of Humanity“, die diese große Welt zusammenhält. Mein Album B.O.A.T.S (für Based On A True Story) ist wie ein kleiner Reminder für alle, die an der Menschheit verzweifeln und Hoffnung brauchen. 

Aber für viele ist es gerade, wenn es viele schlechte Nachrichten gibt, schwer gute Nachrichten zu sehen…

Ja, das steckt auch in der Textpassage: “Tell me, do you see what I see?”. Es kommt eben auch darauf an, wohin wir den Fokus legen. Auch in den Medien. Die negativen Nachrichten bringen scheinbar stärkere Quoten und höhere Auflagen, sind aber quantitativ gesehen kein ausgeglichenes Abbild unserer tatsächlichen Welt. 

Wie konsumieren Sie Nachrichten?

Ich versuche am Puls der Zeit zu bleiben, schaffe es aber nicht bei allen Themen auf dem letzten Stand zu bleiben. Vor kurzem habe ich auf Netflix etwas über Soziale Medien und ihre Nebenwirkungen gesehen. Darin wurde empfohlen auch Menschen und Medien zu folgen, die ganz anderer Meinung sind, denen man sonst nie folgen würde.  

Warum?

Weil man sich sonst nur in seiner eigenen Bubble bewegt. Zu einseitige Infos sind nie gut. Seitdem versuche ich vielseitiger zu konsumieren. Damit ich einen umfassenderen Einblick in unsere plurale Gesellschaft bekomme. 

© Peter Krivograd | ORF
Michael Patrick Kelly hat bei seinen Konzerten immer eine Friedensglocke dabei, die aus Kriegsschrott gegossen wird.

Sie waren nach drei Jahren das erste Mal wieder auf Tournee. Wie war es in der Rückschau?

Ich fühle mich gerade extrem happy. Eigentlich mache ich den ganzen ,Zirkus‘-Teil nur mit, um live zu performen. Natürlich habe ich auch Spaß an einer TV-Show wie die Goldene Henne, aber die Live Bühne ist für mich mein Element. Da bin ich wie ein Fisch im Wasser.

Sie haben vor tausenden von Fans gespielt…

Es war so schön! Die Stimmung war großartig. Gegen Ende der Konzerte fahre ich ja mit einem Boot durchs Publikum, um ganz nah bei den Leuten zu sein. Und es ist so schön zu sehen, dass alle Altersklassen da sind: Kinder, Teenies, Twens, Leute im Alter zwischen 30-60, ältere Menschen. Alle strahlen, lachen, vergessen ihre Sorgen. Wow. 

Ich finde Künstler und Musiker sind für die Emotionen da. Wir Menschen sind ja keine Maschinen und die Pandemie hat auch Seeleninzidenzen verursacht. Viele Konzertbesucher haben einfach losgelassen, konnten für eine Zeit wie ein Kind sein, ihre Probleme vergessen und wieder Lebensfreude spüren. Im Februar geht die Tour weiter und da werde ich auch in den neuen Bundesländern zu Gast sein.

Wo haben Sie diese Emotionen rausgelassen, als Sie nicht auf der Bühne standen?

Ich habe in den letzten 2 Jahren viel Energie in die Kreativität gesteckt und war auf Reisen in Kenia, Grönland, Irland und in anderen spannenden Ländern. Das war inspirierend. So habe ich sehr viele Songs geschrieben.  

Gibt es etwas, das Sie immer mit auf Tournee nehmen, was in ihrer Garderobe nicht fehlen darf? 

Ich trinke vor den Konzerten oft ein Schluck Underberg – mit 48 Kräutern. Ich rede mir ein, dass es gut für die Stimmbänder ist, aber es ist wohl eher um den aufgeregten Magen zu beruhigen (lacht). 

Mein Flight Case mit Bühnen Outfits ist noch voller Geschenke, die ich vom Publikum bekommen habe. Diese werde ich mir jetzt in Ruhe anschauen. Was mich aber immer mit am meisten freut, sind die Bilder, die mir Kinder gemalt haben. Kinder beeindrucken mich, vor allem, wenn sie so furchtlos sind und sich trauen bis zur Bühne Kannte zu kommen, um mir etwas mitten im Konzert zu sagen oder ein Geschenk zu übergeben. 

Bei den Konzerten sind Sie ganz nah an den Fans. Warum ist Ihnen das wichtig?

Ich mag diesen Personenkult nicht, sondern ich habe den Kontakt lieber von Mensch zu Mensch - auf Augenhöhe. Deshalb schreibe ich auch aus Prinzip seit 17 Jahren keine Autogramme mehr. 

Ich weiß, dass der Begriff “Star” zu meiner Berufsbezeichnung irgendwie dazugehört, und in der darstellenden Kunst inszeniert man auch einige Lieder mal mit großen Gesten oder Pathos. Aber im Grunde bin ich ja nur ein normaler Mensch mit einem außergewöhnlichen Job. Bei meinen Konzerten baue ich spontane Momente ein, wo irgendetwas Unerwartetes passieren kann. Das sind Momente, wo z.B. Leute auch mal auf die Bühne kommen und mit mir singen. Ich lege viel Wert darauf, kein Celebrity oder Promi zu sein. Ich will so echt sein, wie es geht und vor allem meine Musik für sich sprechen lassen.

Wenn Sie kein Autogramm geben, was tun Sie dann?

Ich mache Selfies, denn das macht man auch mit Freunden und Familie. Ein Autogramm setzt das Verhältnis auf eine “Star” und “Fan” Ebene, und das ist nicht so meins. 

Wie entspannen Sie nach einer Tour?

Nach einer Tour habe ich mich ein paar Tage lang nicht mehr ganz so im Griff (lacht). 

Ich mache “Sofa Tage” und liege nur im Bett und auf der Couch, bin am Handy, schaue viel Fernsehen oder Netflix. Das ist das Konträre zur sehr disziplinierten Routine auf Tour: Aufstehen, Sport, Soundcheck, Konzert. 

Die Sofa Tage sind kein vorbildlicher Lifestyle, aber ich bin dann einfach platt, weil ich alles gegeben habe. Und ich will mich dann erstmal nicht um irgendwas bemühen (lacht). 

Im zweiten Tour Block sind Sie im Osten unterwegs. Was gefällt Ihnen an den neuen Bundesländern?

Ich mag die Menschen hier. Ich habe das Gefühl, dass sie sehr bodenständig, human und treu sind. Ich weiß noch, wie ich mit meinem Papa und meinen Geschwistern zwei Wochen vor dem Mauerfall im Kessel Buntes aufgetreten bin. Das war krass. Wir sind durch Checkpoint Charlie durch und wurden von den Stasi Leuten begleitet. Wir haben heimlich Kassetten an Leute verschenkt, die uns danach gefragt haben. Und zwei Wochen später sah ich die Nachrichten. 

Welches persönliche Erlebnis verbinden Sie mit Leipzig?

Eine abgefahrene Story. Ich erinnere mich, dass ich vor vielen Jahren hier in der Fußgängerzone gespielt habe. Nicht weit vom Rathaus gab es eine Wiese, auf der am späten Abend plötzlich hunderte Katzen auftauchten. Dann kam ein Typ, der die Katzen mit Resten aus den umliegenden Restaurants fütterte. Ich habe ihn gefragt: Wer bist Du? Er sagte. Ich bin der Katzenmann von Leipzig und solange es mich gibt, bleiben die Ratten weg. Vielleicht schreibe ich mal noch einen Song based on a true story über “The Catman von Leipzig”. 

Der Besuch von Lourdes im Jahr 1999 hat für Sie viel verändert. Waren Sie noch mal dort?

Ich hatte damals eine Doku gesehen, dass dort im Jahr bis zu 6 Millionen hinpilgern. 

Ich dachte zuerst, das ist nur etwas für Omas, die Halt suchen. Aber ich konnte nicht widerstehen, es hat mich wie ein Magnet angezogen. Im Sommer 1999 bin ich dann also hingefahren. Dort waren erstaunlicherweise auch junge Leute und ein Rasta-Mann hat mir dann geraten, den Rosenkranz zu beten, weil das beruhigt. Und er hatte recht. 

Damals war ich sehr verwirrt und ich hatte dort zum ersten Mal so richtig Frieden gespürt. 

Ich hatte das Gefühl, dass ich zu mir komme. Das war wichtig für meinen Glaubensweg.

Lourdes ist nach wie vor ein besonderer Ort, an den ich immer wieder gerne reise. Egal ob man gläubig ist oder nicht. Dort herrscht eine besondere Energie, ein Spirit, den man sonst in dieser Welt nicht oft spürt. 

Beten Sie heute noch Rosenkränze, um sich zu entspannen?

Ja. Es hilft auch wenn ich z.B. nach Konzerten wegen der Euphorie nicht einschlafen kann.  

Sie sprechen vom Frieden und haben es auch auf der Bühne als Thema aufgenommen…

Seit über zehn Jahren gibt es bei jedem meiner Konzerte eine Schweigeminute für den Frieden und es ist immer wieder faszinierend, dass es auch klappt. Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn tausende von Menschen still sind und innehalten. Das ist unfassbar stark.

Sie haben auch eine Friedensglocke dabei. Wie kam es dazu?

Im ersten und zweiten Weltkrieg wurden über 150.000 Kirchenglocken beschlagnahmt, um aus diesen Metallen Waffen herzustellen. Und ich hab diesen Prozess umgekehrt. 

2018 habe ich aus Kriegsschrott die erste PeaceBell gegossen. Diesen Sommer brachten Freunde von mir Hilfsgüter in die Ukraine und ich bat sie, mir von dort Kriegsschrott mitzubringen. Sie haben Granathülsen aus Kiew und Panzerstücke aus Butscha mitgebracht. Wir haben die Teile in einer Glockengießerei eingeschmolzen und eine 820 Kilo schwere PeaceBell daraus gegossen. Der Klöppel ist ein G3 Gewehr. 

Die Friedensminute bei meinen Konzerten schaffen einen Moment, in dem Menschen zur Ruhe kommen können. Viele haben in sich einen inneren Krieg, mit Ängsten und Sorgen, Probleme in Beziehungen oder bei der Arbeit. Und diese Minute der Stille, mitten in einen Pop-Rock Konzerte mit tausenden von Menschen, tut einfach gut.